Was ist das Narrative Review?
Ein narratives Review (auch als "traditionelles Review" bezeichnet) ist eine Form der Literaturübersicht, bei der Forschende existierende Studien und Texte zu einem spezifischen Thema zusammenfassen, um einen umfassenden Überblick über den aktuellen Wissensstand zu geben. Anders als bei systematischen Reviews oder Meta-Analysen folgt ein narratives Review dabei keinem streng protokollierten Such- und Auswahlverfahren, sondern stützt sich stärker auf die Expertise, die Fragestellung und oft auch auf das kritische Urteilsvermögen der Autor*innen. Ziel ist es, die wichtigsten Erkenntnisse und Trends herauszuarbeiten, eventuelle Forschungslücken zu identifizieren und zukünftige Forschungsfragen vorzuschlagen.
In diesem Beitrag beleuchten wir, was ein narratives Review konkret ist, welche Schritte für die Erstellung typisch sind, welche Vorteile es bietet und wann man lieber auf eine systematische Vorgehensweise zurückgreifen sollte. Darüber hinaus zeigen wir, wie ein narratives Review in verschiedenen Disziplinen – von den Sozial- bis hin zu den Naturwissenschaften – angewendet werden kann und welche Rolle moderne Hilfsmittel (z. B. KI-Tools wie Unriddle) dabei spielen können.
1. Merkmale des narrativen Reviews
Narrative Reviews sind häufig breit angelegt und geben eine interpretative Zusammenfassung des Forschungsstandes. Anstatt alle relevanten Publikationen mithilfe eines strikt festgelegten Protokolls zu erfassen, konzentrieren sie sich auf zentrale Theorien, Methoden und Studien, die das jeweilige Thema prägen. Typische Merkmale sind:
Flexible Recherche
Die Autor*innen durchforsten Datenbanken, Fachzeitschriften und andere Quellen, ohne dabei zwingend ein detailliertes Protokoll über Suchbegriffe, Ausschluss- oder Einschlusskriterien offenzulegen.Thematische oder konzeptionelle Gliederung
Anstelle eines quantitativen Vergleichs der Studien (wie bei einer Meta-Analyse) wird der Forschungsstand thematisch zusammengefasst (z. B. nach Schwerpunkten, Theorien oder methodischen Ansätzen).Interpretative Synthese
Narrative Reviews legen großen Wert auf die Interpretation der Ergebnisse: Welche Trends zeichnen sich ab? Welche Gaps existieren? Wie haben sich Theorien oder Praktiken in diesem Gebiet entwickelt?Subjektivität und Expertise
Da die Auswahl der Literatur zu einem gewissen Grad den Interessen oder dem Urteilsvermögen der Verfasser*innen folgt, besteht ein höheres Risiko für Bias. Zugleich kann dies aber helfen, innovative Perspektiven aufzuzeigen.
2. Unterschied zum systematischen Review
Systematische Reviews befolgen ein klar definiertes, im Voraus festgelegtes Protokoll. Jede Recherche-Entscheidung muss reproduzierbar sein (z. B. Datenbank-Suchen, definierte Schlagwörter, festgelegte Ein- und Ausschlusskriterien). Das Ziel: mögliche Verzerrungen ("Bias") minimieren, um ein objektives Bild zu erhalten.
Narrative Reviews verzichten größtenteils auf diesen rigiden Rahmen. Das führt zu zwei typischen Vor- und Nachteilen:
Vorteile:
- Schnelleres Erfassen eines Forschungsfeldes
- Größere Flexibilität bei der Einbeziehung unterschiedlicher Publikationen (z. B. Theorien, qualitative Studien, graue Literatur)
- Eignet sich besonders gut in neuen oder interdisziplinären Themenfeldern, in denen es noch keinen ausreichend großen Pool an quantitativen Studien gibt
Nachteile:
- Höhere Subjektivität, da nicht alle Studien systematisch erfasst werden
- Schwierig nachzuvollziehen, warum bestimmte Quellen gewählt oder ausgeschlossen wurden
- Geringere Eignung für evidenzbasierte Handlungsempfehlungen in klinischen oder hochregulierten Feldern
3. Typische Anwendungsfelder
- Breite Themensichtung: Wenn man zunächst einen Überblick gewinnen möchte, bevor man eine gezielte Forschungsfrage entwickelt.
- Theoretische Einordnung: Ein narratives Review kann Theorien vergleichen und kritisch hinterfragen.
- Historische Entwicklung: Viele narrative Reviews wollen zeigen, wie sich eine Forschungsrichtung oder eine Theorie im Lauf der Zeit entwickelt hat.
- Methodologische Fragestellungen: Bei der Frage, wie geforscht wurde (und nicht nur, was gefunden wurde), lassen sich in einem narrativen Rahmen unterschiedliche Ansätze leichter gegenüberstellen.
4. Schritte zur Erstellung eines narrativen Reviews
Auch wenn ein narratives Review nicht so streng geregelt ist wie ein systematisches, empfiehlt es sich dennoch, klare Schritte zu befolgen:
Fragestellung definieren
Was genau soll das Review leisten? Soll ein genereller Überblick geschaffen werden oder möchten Sie z. B. Theorien vergleichen?Literatursuche planen
- Wählen Sie Datenbanken aus (z. B. PubMed, PsycINFO, Web of Science).
- Legen Sie Suchbegriffe fest (Stichwörter, Synonyme).
- Notieren Sie, wann und wo Sie gesucht haben, um Transparenz herzustellen.
Studienauswahl
Sehen Sie sich Abstracts an und entscheiden Sie, ob ein Artikel für Ihr Review relevant ist. Notieren Sie, falls möglich, kurz die Gründe Ihrer Auswahl oder Ausschlusskriterien.Literatur organisieren
- Gruppieren Sie Studien nach Themen, Methoden oder Theorien.
- Tools wie Unriddle, MAXQDA oder ATLAS.ti können helfen, Notizen und Textstellen zu organisieren und Erkenntnisse zu verknüpfen.
Synthese & Diskussion
- Fassen Sie die Hauptthemen zusammen.
- Interpretieren Sie die Befunde: Welche Schlüsse lassen sich ziehen, welche Forschungslücken gibt es?
- Geben Sie einen Ausblick auf zukünftige Forschungsrichtungen.
Schlussfolgerungen & Ausblick
Was sind die zentralen Ergebnisse, und wo besteht weiterer Bedarf? Das kann sowohl theoretische als auch praktische Implikationen umfassen, z. B. Anregungen für empirische Studien, neue Methoden oder die Anwendung in der Praxis.
5. Rolle digitaler Tools (z. B. Unriddle)
Moderne Hilfsmittel können bei der Recherche und Organisation der Literatur Zeit sparen und die Qualität des Reviews erhöhen:
- Schnelles Auffinden von Quellen: Dank KI-gestützter Dokumentenanalysen können Sie relevante Stellen rasch identifizieren.
- Automatisierte Verknüpfungen: Tools wie Unriddle oder MAXQDA verknüpfen Textstellen und erleichtern das Zitieren.
- AI-Autocomplete: Beim Schreiben helfen KI-Algorithmen, Formulierungen zu präzisieren oder Lücken zu füllen.
- Zusammenarbeit: Mehrere Forschende können in Echtzeit am selben Projekt arbeiten und Daten kollaborativ analysieren.
6. Grenzen und mögliche Kritik
Da das narratives Review keine vorgeschriebene, systematische Methode verfolgt, kann es leicht zu einseitigen Perspektiven kommen. Unvollständige Literaturauswahl oder fehlende Qualitätssicherung der eingeschlossenen Studien sind mögliche Kritikpunkte. Best Practice ist daher, den eigenen Prozess möglichst transparent zu machen, etwa indem man wichtige Suchbegriffe nennt und begründet, warum man bestimmte Studien bevorzugt oder ausschließt.
Dennoch bleibt das narratives Review ein unverzichtbares Werkzeug, wenn es darum geht, einen breiten Forschungsüberblick zu liefern, theoretische Zusammenhänge zu erörtern oder neue Ideen zu entwickeln. Gerade in jungen oder interdisziplinären Gebieten, in denen wenig empirische Forschung existiert, kann ein narratives Review als Wegbereiter dienen, um Forschungsfragen zu konkretisieren.
Fazit
Ein narratives Review ist vielfältig und flexibel und bietet eine hervorragende Möglichkeit, einen detaillierten Einblick in ein Forschungsfeld zu gewinnen. Es eignet sich besonders, um Theorien oder Methoden kritisch zu beleuchten, Strömungen in der Literatur aufzuzeigen oder Hypothesen für weiterführende Studien zu generieren. Die größte Herausforderung – und zugleich Stärke – liegt in der interpretativen Zusammenführung verschiedenster Quellen. Eine klare Fragestellung, ein durchdachter Suchprozess, transparente Dokumentation und ein reflektierter Umgang mit den eigenen Schwerpunkten sind dabei unerlässlich. Wer diese Prinzipien berücksichtigt, kann mit einem narrativen Review einen wertvollen Beitrag zur akademischen Diskussion leisten.
Quellen
ATLAS.ti. (2024, 21. Juli). What is a Narrative Literature Review? | Differences & How to Conduct One. https://atlasti.com/guides/literature-review/narrative-literature-review
Demiris, G., Oliver, D. P. & Washington, K. T. (2019). Defining and Analyzing the Problem. In Elsevier eBooks (S. 27–39). https://doi.org/10.1016/b978-0-12-814449-7.00003-x
Philip. (2024, 15. Januar). Literaturreview als Methode (narrativ, kritisch, etc.). Shribe! https://shribe.de/literaturreview-als-methode/
Unriddle Ltd. (2024). A Beginner's Guide On Narrative Literature Review. https://www.unriddle.ai/blog/narrative-literature-review
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
1. Was ist der Hauptunterschied zwischen einem narrativen und einem systematischen Review?
Ein narratives Review ist flexibler und weniger formalisiert als ein systematisches Review. Während systematische Reviews strenge Such- und Auswahlkriterien verwenden, fasst das narrative Review Studien interpretativ zusammen und gibt einen umfassenden Überblick, ohne zwangsläufig alle relevanten Quellen lückenlos abzudecken.
2. Für welche Themen eignet sich ein narratives Review besonders?
Ein narratives Review eignet sich gut für Forschungsfelder, in denen es (noch) keine umfangreiche oder eindeutig strukturierte Datenlage gibt. Außerdem hilft es dabei, theoretische oder konzeptionelle Ansätze zu vergleichen und komplexe Entwicklungen über längere Zeiträume aufzuzeigen.
3. Wie lang sollte ein narratives Review sein?
Das hängt vom Umfang des behandelten Themas sowie von den Vorgaben (z. B. einer Hochschule oder eines Journals) ab. Wichtig ist, dass die Darstellung umfassend ist und die wichtigsten Studien und Argumente angemessen diskutiert werden.
4. Können KI-Tools wie Unriddle oder MAXQDA ein narratives Review ersetzen?
Nein, Tools können den Recherche- und Schreibprozess nur erleichtern. Sie ersetzen jedoch nicht das kritische Urteilsvermögen der Autor*innen. KI-gestützte Anwendungen helfen bei der Organisation und Analyse von Texten, während die inhaltliche Synthese und Interpretation in menschlicher Hand bleibt.
5. Wie gehe ich mit möglichen Interessenkonflikten oder Bias um?
Transparenz ist entscheidend. Geben Sie offen Auskunft über Ihre Suchstrategien, Auswahlkriterien und persönliche Interessen. Hinterfragen Sie zudem regelmäßig Ihre eigenen Annahmen und berücksichtigen Sie, wenn möglich, vielfältige Perspektiven, um Verzerrungen zu minimieren.